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Erster Teil der Erbrechtsrevision

10. Feb 2021

Dieser Artikel gewährt einen kurzen Überblick über die wesentlichen Neuerungen im Zusammenhang mit der aktuell laufenden Erbrechtsrevision. Diese sieht insbesondere vor, dass Erblasser künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen können. Das revidierte Erbrecht soll voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft treten, sofern das Referendum nicht ergriffen wird.

Reduktion der Pflichtteile

Der Pflichtteil der Nachkommen wird von aktuell 3/4 des gesetzlichen Erbteils auf 1/2 reduziert. Der Pflichtteil der Eltern wird ganz abgeschafft. Der Pflichtteil des Ehegatten oder des eingetragenen Partners bleibt nach wie vor bei 1/2 des gesetzlichen Erbanspruchs. Die Reduktion der Pflichtteile erhöht die verfügbare Quote und räumt dem Erblasser somit mehr Verfügungsfreiheit und damit mehr Selbstbestimmung ein.

Hinterlässt ein Erblasser beispielsweise seine Ehefrau und zwei Kinder, erhielt bisher jedes Kind mindestens 3/16 (Pflichtteil) und die Ehefrau 1/4 (Pflichtteil) des Nachlasses. Neu erhält jedes Kind nur noch mindestens 1/8 (Pflichtteil) des Nachlasses, der Pflichtteil der Ehefrau bleibt gleich. Entsprechend kann der Erblasser in dieser Konstellation neu über die Hälfte (bisher: 3/8) seines Nachlasses frei verfügen.

Ein Unterstützungsanspruch für den Lebenspartner wurde abgelehnt. Damit ist ein Konkubinatspartner von Gesetzes wegen in erbrechtlicher Hinsicht nach wie vor nicht geschützt und dessen Begünstigung muss vom Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag vorgesehen werden.

Begünstigung des Ehegatten

Um den überlebenden Ehegatten zu begünstigen, sieht das geltende Recht u.a. die Möglichkeit vor, die Erbschaft der gemeinsamen Nachkommen mit der Nutzniessung zugunsten des überlebenden Ehegatten zu belasten und diesem zudem die frei verfügbare Quote von 1/4 zu Eigentum zuzuwenden. Neu wird die frei verfügbare Quote auf 1/2 des Nachlasses (statt 1/4) erhöht und damit die Ehegattenbegünstigung weiter ausgebaut.

Verlust des Pflichtteilschutzes im Scheidungsverfahren

Gemäss geltendem Recht entfällt der Erb- und Pflichtteilsanspruch eines Ehegatten erst mit formell rechtskräftigem Scheidungsurteil. Mit der Gesetzesrevision verliert der Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch bei bestimmten Voraussetzungen bereits während des Scheidungsverfahrens. Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung verliert der überlebende Ehegatte im vorgenannten Fall ebenfalls seine Ansprüche aus Testament/Erbvertrag und geht seinen Begünstigungen aus Ehevertrag verlustig. Damit sollen taktische Verzögerungen im Scheidungsverfahren vermieden werden.

Zu beachten ist allerdings, dass zwar der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten während hängigem Scheidungsverfahren erlischt, nicht aber dessen gesetzlicher Erbanspruch. Dieser kommt dann zum Tragen, wenn der Erblasser keine anderweitigen Regelungen über seinen Nachlass getroffen hat.

Herabsetzungsreihenfolge

Im Falle einer Pflichtteilsverletzung werden gewisse Fragen/Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Reihenfolge der herabsetzbaren Verfügungen des Erblassers bereinigt. Künftig ist vorgesehen, dass als erstes die Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge, als zweites die Zuwendungen von Todes wegen und als drittes die Zuwendungen unter Lebenden herabgesetzt werden. Explizit ist neu auch festgehalten, dass Begünstigungen aus Ehevertrag oder Vermögensvertrag als Zuwendung unter Lebenden gelten.

Behandlung der Vorschlagszuweisung

Mit der Gesetzesrevision wird die Streitfrage bezüglich der Auslegung von Art. 216 Abs. 2 ZGB bei einer überhälftigen Vorschlagszuweisung an den überlebenden Ehegatten geklärt. So ist im revidierten Recht explizit festgehalten, dass die über die Hälfte hinaus zugewiesene Beteiligung am Vorschlag bei der Berechnung der Pflichtteile des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners, der gemeinsamen Kinder und deren Nachkommen nicht hinzugerechnet wird. Damit ist klar, dass die Pflichtteilsberechnungsmasse in Zukunft für gemeinsame und nichtgemeinsame Nachkommen unterschiedlich zu berechnen ist.

Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a)

Klarheit wird auch darüber geschaffen, ob Ansprüche aus der gebundenen Vorsorge (Vorsorge bei Bankstiftungen und Versicherungseinrichtungen) in den Nachlass fallen. So wird mit der Gesetzesrevision den begünstigten Personen unabhängig der Vorsorgeform ein eigener Anspruch auf die Leistung und direkte Auszahlung gegenüber der Bankstiftung oder der Versicherungseinrichtung eingeräumt. Die Leistungen der Säule 3a fallen demzufolge nicht in den Nachlass, werden aber bei der Pflichtteilsberechnungsmasse berücksichtigt und unterliegen somit der Herabsetzung.

Lebzeitige Zuwendungen nach Abschluss eines Erbvertrages

Gemäss bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann ein Erblasser nach Abschluss eines Erbvertrages – sofern dieser nicht das Gegenteil vorsieht – grundsätzlich Schenkungen ausrichten, ohne dass solche anfechtbar sind. Das revidierte Recht sieht neu generell ein Schenkungsverbot vor, sofern Zuwendungen unter Lebenden im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind. Davon ausgenommen sind übliche Gelegenheitsgeschenke. Damit erfolgt auf Gesetzesstufe eine Abweichung von der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, womit die Anfechtbarkeit lebzeitiger Zuwendungen leichter möglich wird. In Erbverträgen sind demzufolge entsprechende Vorbehalte anzubringen, sofern dem Erblasser nach Abschluss eines Erbvertrages weiterhin die Möglichkeit offen stehen soll, Schenkungen auszurichten.

Anwendung des neuen Rechts

Das neue Recht kommt zur Anwendung, sofern eine Person nach dessen Inkrafttreten stirbt und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt ein Testament errichtet oder ein Erbvertrag abgeschlossen wurde. Es ist deshalb unbedingt zu empfehlen, bestehende Testamente und Erbverträge im Hinblick auf das neue Recht zu überprüfen und wo nötig lebzeitig Klärung zu schaffen und diese anzupassen.

In der Pipeline stehen sodann der zweite Teil der Revision, welcher sich mit der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge befasst, sowie der dritte Teil der Revision, welcher sich den technischen Punkten widmet.


Melanie Strässle

Kontakt

Melanie Jauch, Rechtsanwältin
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