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Ergänzungsleistungen: Wer bekommt sie, wer nicht - und was dann?

16. Mai 2022

Ergänzungsleistungen sind ein Buch mit sieben Siegeln. Viele Gerüchte ranken sich darum, vor allem im Zusammenhang mit der Übertragung von Immobilien auf Kinder und deren Folgen bei späteren Heimeintritten. Lesen Sie nachfolgend, was daran wahr ist und was nicht.

In einer vorherigen Publikation im Jahr 2022 hat sich Rechtsanwältin Melanie Jauch mit der lebzeitigen Übertragung von Immobilien auf Kinder befasst und die Varianten Erbvorbezug, Schenkung und Verkauf aufgezeigt. Immobilien bilden oft einen zentralen Vermögensbestandteil. Wird dieser an die Kinder verschenkt, kann später das Geld fehlen, um hohe Heimkosten zu bezahlen. Dies kann für die Kinder unangenehme Konsequenzen haben.

Ergänzungsleistungen (EL) helfen dort, wo die AHV-Rente und das Vermögen nicht reichen, um die Lebenskosten zu decken. Gerade nach Heimeintritten kann es schnell so weit sein. Ergänzungsleistungen sind bedarfsabhängige Zusatzleistungen, die auf einer individuellen Berechnung beruhen. Sie werden von der kantonalen EL-Stelle (Ausgleichskasse) ausgerichtet.

Ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, wenn die (anerkannten) Ausgaben (Grundbedarf, Mietzins, Heimkosten) höher sind als die (anrechenbaren) Einnahmen (AHV-Rente). Als Einnahme gelten auch zehn Prozent des Vermögens, das 30’000 Franken (Alleinstehende) bzw. 50’000 Franken (Ehepaare) übersteigt. Insofern wird ein beschränkter Vermögensverbrauch erwartet. Seit 2021 gilt neu eine Eintrittsschwelle von CHF 100'000 Franken bei Alleinstehenden und von 200'000 Franken bei Ehepaaren, wobei der Wert von selbst­bewohnten Liegenschaften nicht berücksichtigt wird. Wer mehr Vermögen hat, bekommt keine Ergänzungsleistungen.

Wichtig zu wissen: Bei der Berechnung wird nicht nur das (noch) vorhandene Vermögen berücksichtigt, angerechnet wird auch ein früherer Vermögensverzicht. Womit wir beim Thema wären: Schenkungen und Erbvorbezüge an Kinder gelten als Vermögensverzicht, Verkäufe nicht. Solches «Verzichtsvermögen» wird bei der EL-Berechnung als fiktives Vermögen und Einkommen aufgerechnet, wobei es jährlich (ab dem zweiten Jahr) um 10’000 Franken reduziert wird. Je länger also die Schenkung oder der Erbvorbezug zurückliegen, desto geringer ist die Aufrechnung. Eine Verjährung tritt nicht ein, und eine 10-Jahres-Regel, von der landläufig oft die Rede ist, gibt es nicht: Auch ein Vermögensverzicht, der zehn oder mehr Jahre zurückliegt, wird berücksichtigt.

Eine Liegenschaft mit Nettowert (Steuerwert abzgl. Hypothek) von 600'000 Franken, die 2009 verschenkt wurde, schlägt bei der EL-Berechnung 2022 folglich mit einem Wert von 480'000 Franken zu Buche (CHF 600'000 – 12 x CHF 10'000). Damit ist die Eintrittsschwelle überschritten und Ergänzungsleistungen entfallen. Hätte der Nettowert 300'000 Franken betragen, wäre die Eintrittsschwelle zwar nicht überschritten, doch würde ein fiktives Einkommen von 18'000 Franken aufgerechnet (10% von CHF 180'000 [CHF 300'000 - 12 x CHF 10’000]). Um diesen Betrag reduzieren sich dann die Ergänzungsleistungen. Reicht das Geld am Ende nicht, um die Ausgaben, insbesondere hohe Heimkosten zu bestreiten, bleibt nur der Gang zum Sozialamt. Dieses wird im Rahmen der Verwandtenunterstützungspflicht jedoch auf die Kinder zurückgreifen, vor allem dann, wenn diese vorgängig erhebliche Vermögenswerte erhalten haben.

Im Rahmen einer nachhaltigen Vermögens- und Nachlassplanung empfiehlt es sich daher, neben ehegüterrechtlichen und erbrechtlichen Überlegungen auch Fragen rund um allfällige Heimkosten im Alter zu prüfen, um unangenehme Folgen für die mit Schenkungen oder Erbvorbezügen bedachten Kinder zu vermeiden.

Pascal Schmid

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Pascal Schmid, Partner
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